Krimi: Das Strauss Imperium

Johann Strauss Vater (1804 – 1849), seine drei Söhne Johann Strauss (1825 – 1899 ), Josef Strauss (1827 – 1870), Eduard Strauss I. (1835 – 1916) und dessen Sohn Eduard Strauss II. (1910 – 1966)

Der Name Johann Strauss und seine Musik sind Synonyme für melodiöse, eingängige, beglückende Klänge, und man könnte meinen, diese seien aus einer harmonischen Familie von mehreren Generationen entstanden. In Wahrheit aber war die Strauss Familie zerrissen von Animositäten, Rivalitäten und Eifersucht. Sigmund Freud hätte Studien betreiben können, war aber noch nicht da.

Der Gründer Johann Strauss Vater verließ seine Familie, seine unbeachteten Söhne eiferten ihm musikalisch nach bis zur völligen Erschöpfung: einer bis zum Tod, der zweite ständig krank, der dritte setzte einen gewalttätigen Schlusspunkt zu seiner Dirigentenlaufbahn, indem er Tausende Manuskripte der Familie verbrannte. Alle aber stützten – teils widerwillig – das Familienunternehmen Strauss.

Das geschah zu einer Zeit, in der Wien sich in der fast 100jährigen Sicherheit des Habsburger Reiches wähnte und nach dem Motto aus der „Fledermaus“ lebte: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“ Die Wiener Gesellschaft trank Kaffee und Champagner, tanzte Walzer und fühlte sich unbeschwert.

Der Siegeszug des orientalischen Getränks Kaffee seit dem Abzug der türkischen Belagerung 1683 etablierte bis 1830 bereits 80 Cafés im Zentrum und weitere 50 in den Vororten. Ähnlich explosiv verlief die Ausbreitung der Tanzlokale, mit einem entsprechenden Hunger nach passender Musik.

Als 21jähriger löste sich Johann Strauss der Ältere aus der musikalischen Verbindung mit Joseph Lanner und reüssierte als Stehgeiger und Komponist wie kein anderer vor und nach ihm in Wien. 1835 hatte der 30jährige bereits 80 erfolgreiche Kompositionen geschaffen und auf ausgedehnten Konzertreisen in Europa den Zuhörern ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit vermittelt, das sogar bei Musikkritikern zu Glücksausbrüchen führte.

1837 eroberte Strauss Paris, eingeführt von Berlioz. Zur Krönung von Englands Königin Viktoria im April 1838 wurde er samt Orchester eingeladen. Die angehängt neunmonatige Tournee mit 4 Konzerten pro Woche führte zum Zusammenbruch, der Strauss wider Willen zurück zu seinen vertrauten Wiener Ärzten führte. Denn zu gern wäre er seinen schwierigen Familienverhältnissen endgültig nach Amerika entwichen.

Er hatte nämlich eine Frau mit 3 Söhnen und eine etablierte Geliebte mit insgesamt schließlich 14 Kindern in 21 Jahren, und kam letztendlich doch gewissenhaft seinen familiären Verpflichtungen nach. Interessanterweise kümmerte er sich mehr um die illegitimen Kinder, von denen keines seine musikalische Begabung geerbt hatte.

Seine verbitterte Ehefrau rächte sich, indem sie ihren Sohn Johann unterstütze: zunächst heimlich, dann trotzig folgte er seiner Leidenschaft zum Violinspiel und zur Komposition. Schlau kopierte er den Vater in allem, was dessen Erfolg ausmachte. Kurz vor seinem 19. Geburtstag 1845 gab er sein Debut Konzert in einem abgelegenen Lokal mit unerfahrenen Orchestermusikern – der Vater, der das Konzert unbedingt verhindern wollte, hatte allen Musikern verboten, für seinen Sohn zu spielen, falls sie jemals wieder mit ihm, dem Vater, konzertieren wollten.

Verständlicherweise war das kritische Publikum voller Neugier auf den Sohn: überwältigt von überzeugenden Eigenkompositionen und einem Werk des Vaters als Tribut an sein Vorbild schrieben die Kritiker: „Gute Nacht, Lanner (der kurz vorher gestorben war), guten Abend, Strauss Vater, guten Morgen, Strauss Sohn!“

Die Rivalität der beiden Strausse manifestierte sich auch in ihrer politischen Einstellung: der Vater unterstützte die alte kaiserliche Ordnung, was im Radetzky Marsch hörbar wurde. Der Junge stand auf der Seite der Erneuerer mit Kompositionen wie den „Freiheits-Liedern“ und dem „Revolutionsmarsch“. Ein öffentliches Spielen der Marseillaise brachte ihn gar kurzzeitig ins Gefängnis.

Am Ende des Revolutionsjahres 1848 wurde der geschwächte alte Kaiser von dem jungen Franz Josef auf dem Thron abgelöst, und Metternich verlor nach 40 Jahren endlich an Einfluss. Auch Johann Strauss Vater wurde mit seinem Radetzky Marsch von der Revolution weggefegt und starb 45jährig ein Jahr darauf.

Sein Sohn Johann durfte das Orchester des Vaters übernehmen, musste aber wegen seiner jugendlich-revolutionären Umtriebe 11 Jahre auf die Position des K.u.K. Hofball-Musik-Direktors warten. Es ist aber nicht belegt, dass er 1856 die „Annenpolka“ anbiedernd der früheren Kaiserin Marie Anna gewidmet hat.

Vom Erfolg zu Höchstleistungen angestachelt, ging der Sohn Johann mit seinen Kräften ähnlich ruinös um wie sein Vater. Vier Jahre später kam es zum ersten Zusammenbruch, und Josef, der zweite Bruder wurde ans Pult geholt. Der war musikuninteressiert und Architekt geworden, ließ sich aber überzeugen, den Unterhalt der Familie und des Strauss Orchesters wenigstens vorübergehend zu sichern. Und siehe da: dieser schüchterne, gefühlvolle, freundliche Josef entwickelte sich mit Ehrgeiz zu einem erfolgreichen Komponisten mit 300 eigenen Stücken und 500 Bearbeitungen in 20 Jahren! Und nicht nur Bruder Johann hielt ihn für den begabtesten unter den Straussen.

Ab 1856 verbrachte Johann die Sommer in St Petersburg: tägliche Konzerte in der Sommerresidenz Pavlowsk. Als er zum dritten Mal mit neuen Kompositionen nach Wien zurückkehrte, vermeldeten die Zeitungen, der „flotte Jean“ habe sich in Petersburg frisch verliebt, verlobt und sogar verheiratet. Mit der Tritsch Tratsch-Polka machte Strauß sich über diese Berichte lustig, ein Titel, der sich auf Nestroys gleichnamige Posse bezog.

Bei einem Benefizkonzert im Wiener Volksgarten 1867 führte Johann Strauß Sohn seine Polka „Leichtes Blut“ erstmals auf.

Das Unternehmen Strauss erforderte schließlich den Einsatz aller drei Brüder, denn Wien wollte permanent bedient sein, und alle Welt lud zu Tourneen ein. Auch Amerika wurde schließlich erobert mit mörderisch eng getakteten Auftritten.

Eduard, der Jüngste, war Harfenist und später Leiter des 3. Straussorchesters und entwickelte sich zu einem diktatorischen, brillanten Dirigenten, der es in Wien zum „K.u.K. Hofballmusik-Direktor“ schaffte und weltweit reüssierte. Er hasste aber seinen Zwangsberuf derart, dass er mit 65 von jetzt auf gleich Schluss machte: er löste das Orchester auf und ließ obendrein alle unveröffentlichten Musikmanuskripte der Strausse unter seiner Aufsicht verbrennen, was in einem professionellen Ofen ca. 12 Stunden dauerte.

Mit dem Tod von Johann Strauss Sohn 1899 endete das „Goldene Zeitalter Wiens“. Von seiner Musik auf sein Wesen zu schließen wäre völlig falsch: er war hypochondrisch, vermied Krankheit und Tod, ging nicht einmal auf die Beerdigungen seiner Eltern oder seiner Frau. Rücksichtslos gegen sich und andere, überforderte er sich ständig. Psychisch instabil, depressiv bis bipolar, introvertiert und selektiv, was Freundschaften und Kontakte anbelangte, war er ein von seinen musikalischen Ideen getriebener Mann. Komponiert wurde nachts, was seine Gesundheit im Allgemeinen und seine Augen im Besonderen belastete.

Bewunderer und Verehrer unter Komponisten hatte er dennoch genug: Johannes Brahms war ihm ein wahrer Freund. Wagner, Chopin, Hector Berlioz, Tschaikowsky, Gustav Mahler, Richard Strauss, der den Walzerkönig im Rosenkavalier zitiert. Vaughan Williams gestand etwas knurrig zu: „Ein Strauss Walzer ist gute Musik an seinem angemessenen Platz“ – womit er natürlich nicht den klassischen Konzertsaal meinte.

Ausgerechnet Eduards gleichnamiger Sohn, Eduard Strauss II, führte die Familientradition später weiter: als Dirigent namhafter Orchester gründete er auf Wunsch der Wiener Philharmoniker 1966 das Wiener Johann Strauss Orchester und brachte die Familienklänge schließlich auch nach Asien.

Dann gab es noch Oscar Straus, der nicht zur Familie gehörte und sich deshalb extra mit einem „s“ schrieb. Eigentlich wollte der 1870 geborene Wiener seriöser Komponist werden, dann aber verfiel er doch der leichten Muse, schrieb einige erfolgreiche Operetten wie 1907 „Ein Walzertraum“ und wurde Musikchef des legendären „Überbrettl“. Später wurde er noch frecher bei den Fritzi-Massary-Stücken, die er der größten Diva der Berliner Operette auf den Leib schrieb: z.B. 1932 in „Eine Frau, die weiß, was sie will!“ steht eine emanzipierte Frau im Mittelpunkt und singt „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“

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