Fritz Löhner-Beda

Unserem Namensgeber Fritz Löhner-Beda ist unsere erste Biographie gewidmet.

Sein Biograph Günther Schwarberg nennt ihn „den weltbekannten Unbekannten“: als Textdichter von „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“, „Oh Donna Clara“, Librettist für Lehàrs „Land des Lächelns“ mit der Liebesarie „Dein ist mein ganzes Herz“, als Goethe Plagiator, als promovierter Jurist, als Gründer und Präsident eines Fußballvereins, als Verachter der Nationalsozialisten, der mit dem sogenannten Prominententransport nach Dachau gebracht und in Ausschwitz ermordet wurde, steht Fritz Löhner-Beda exemplarisch für Künstler jener Zeit.

Geboren wurde er 1883 als Fritz Löwy in Nordostböhmen, zog fünfjährig mit der Familie nach Wien, wo sie sich in Löhner umbenannte, unter dem damals starken Assimilationsdruck ein Akt der Anpassung für den wohlhabenden Kaufmann, der in der Wiener Gesellschaft Fuß fassen wollte.

Zwar sprach die Familie deutsch, doch der familiäre Kosename des Jungen „Beda“ leitete sich von der tschechischen Form seines Vornamens „Bedrich“ ab, und diesen Namen verwendete Löhner sein Leben lang immer wieder als Pseudonym und Künstlernamen, für satirische Gedichte und Sketche, die er bereits als Gymnasiast veröffentlichte, bis hin zu Schlagertexten und Libretti in der Nazizeit.

Er studierte an der Wiener Universität Rechtswissenschaften bis zur Promotion und arbeitete ab 1908 einige Zeit in einer Wiener Anwaltskanzlei.

Während seines Studiums wurde er Mitglied der jüdischen Studentenverbindung Kadima Wien. Er war ein hervorragender Fußballspieler und 1909 Gründungsmitglied und erster Präsident des Wiener Sportvereins Hakoah.

Attraktiver aber fand er die Boheme, das Flirten, die Musik, das Kabarett, die Operetten. Und mit seiner scharfen Beobachtungsgabe und seinem kritischen Geist kommentierte er gesellschaftliche Fehlentwicklungen seiner Zeit.

Beliebter Wiener Treffpunkt der Künstler war das Café Museum am Karlsplatz, eine reine Musikbörse. Komponisten und Librettisten fanden zueinander: Franz Lehàr, Leo Fall, Emmerich Kalman, Librettisten wie Ludwig Herzer und Alfred Grünwald und Kabarettisten wie Fritz Grünbaum. Mit letzterem verband Beda eine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit.

Alle ließen sich nieder in Bad Ischl, dem Modebad Kaiser Franz Josefs, und über den Niedergang des Kaiserreiches hinaus blieb Ischl annektiert von der Operette.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war Löhner-Beda mit 31 Jahren zu alt für den Wehrdienst, wurde aber 1918 doch eingezogen und erreichte den Offiziersrang, blieb aber nach seinen Kriegserlebnissen zeitlebens Antimilitarist.

Nach Kriegsende begann sein eigentlicher Aufstieg zu einer der zentralen Persönlichkeiten der deutschsprachigen Populärkultur. Das Radio mit seiner rasanten Verbreitung Anfang der 1920er Jahre forderte ständigen Nachschub an Schlagern und bot Komponisten und Textern ein breites Betätigungsfeld mit guten Einkünften.

Als einer der meistgefragten Librettisten und Schlagertexter Wiens verhalf Fritz Löhner-Beda 1922 Hans Moser mit einem Einakter zum Durchbruch als Schauspieler. In Zusammenarbeit mit Fred Raymond und Ernst Neubach entstand das Lied „Ich hab´mein Herz in Heidelberg verloren“, das auch noch nach dem nächsten Krieg mit den ehemaligen amerikanischen Soldaten um die Welt wandern sollte.

Sehr erfolgreich war Beda auch mit seinen Übersetzungen fremdsprachiger Liedtexte, vor allem mit „Ausgerechnet Bananen“, das auf dem amerikanischen Schlager „Yes! We have no bananas“ basiert (1923, Musik Frank Silver und Irving Cohn).

Von Hunderten von Schlagertexten überdauerten „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?“ (1923, Musik Richard Fall), „Es geht die Lou Lila“ (1925, Musik Robert Katscher), „Wo sind deine Haare, August“ (1926, Musik Richard Fall), „In der Bar zum Krokodil“ (1927, Musik Willy Engel-Berger) und „Oh, Donna Clara“ (1930, Musik Jerzy Petersburski).

In Bad Ischl entdecken Ludwig Herzer und Löhner-Beda in Goethes „Dichtung und Wahrheit“ ein Operettensujet: Goethes Liebelei mit der Pfarrerstochter Friederike Brion aus Sesenheim. Wie im Rausch schreiben sie ein Libretto und bitten Franz Lehàr um die Vertonung. Der zögert: „…mir war die Vorstellung unheimlich: Goethe als Operettenfigur ist doch eine etwas zu gewagte Sache und das Thema etwas banal. Aber schon die erste Szene rührte und entzückte mich, und ich willigte ein.“ 1928 entsteht „Friederike“.

Goethe als Operettenstoff – malen Sie sich die Empörung über dieses Sakrileg aus! Protestierende Goethe Vereine und Literaturnationalisten ziehen vor dem Berliner Metropol Theater auf, in dem Richard Tauber in der Hauptrolle 5 Mal wiederholen muss: „Oh Mädchen, mein Mädchen, wie lieb‘ ich Dich!“ Aber das ist ja Goethe im Wortlaut und als Figur würdig dargestellt! Die Kritiker schreiben: „Man weiß nie, wo Goethe aufhört und Löhner-Beda anfängt.“

Zwei Wochen nach dem großen Erfolg in Berlin kommt „Friederike“ ins Wiener Johann-Strauß-Theater, drei Monate nach der Premiere ist es das meistgespielte deutsche Bühnenstück, und das Lied wird zum Schlager der Saison.

1929 folgen Libretti zu Lehàrs „Land des Lächelns“, 1930 Paul Abrahams „Viktoria und ihr Husar“, 1931 „Die Blume von Hawai“, 1932 „Ball im Savoy“, 1934 Lehàrs „Giuditta“.

Je weniger das Land zum Lächeln wurde, desto populärer wurden die Lieder, in denen man

sich in eine schöne heile Welt hineinsang: die Welt der Illusionen, die unerreichbar ferne

Welt der Schönheit und der Liebe. Wenigstens erträumen und besingen wollte man sie.

Obgleich Beda die politischen Entwicklungen genau verfolgte und kommentierte, obendrein nie ein Hehl aus seiner Verachtung der Nationalsozialisten machte und Hitler „den Tapezierer“ nannte, unterschätzte er die Gefahr, die ihm durch den „Anschluss Österreichs“ im März 1938 drohte. Freunde rieten ihm zu emigrieren – er lehnte es als „unpatriotisch“ ab.

Unmittelbar nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich wurde er verhaftet, am 1. April mit dem sogenannten „Prominententransport“ ins KZ Dachau eingeliefert und im Herbst 1939 nach Buchenwald überstellt. Dort entstand – im Auftrag der Lagerleitung – zusammen mit Fritz Grünbaum ihr letzter Text: das „Buchenwald-Lied“, zu dem Löhners Freund und Mithäftling Hermann Leopoldi die Musik schrieb.

Lehàr, ein Lieblingskomponist Hitlers, vermochte sich nicht für Beda einzusetzen, da er wegen seiner jüdischen Frau selbst gefährdet war.

1942 wurde Fritz Löhner in das KZ Auschwitz deportiert. Im Nebenlager Buna musste er für den Chemiekonzern I. G. Farben Schwerstarbeit leisten und wurde wegen mangelhafter Arbeitsfähigkeit im Dezember 42 totgeschlagen.

Schon 1945 wurden in Wien wieder Lehàr-Operetten mit Fritz Löhner-Bedas Libretti aufgeführt. Doch wie schon bei den Aufführungen während des Nationalsozialismus blieb der Librettist in Programmheften häufig unerwähnt. –

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